Zerstörung der Bastion Print?
Bertelsmann schließt letzte Tiefdruckerei und will Magazine verkaufen
Von Klaus-Peter Nicolay

25.01.2023 ► Dass Druckereien unter einer zurückgehender Nachfrage leiden, ist ein seit Jahren anhaltendes Problem. Das hat jedoch Gründe, an denen Druckereien nichts ändern können. Ähnlich sieht es bei Magazinen und Zeitschriften aus.

Energie ist 2022 um 37% teurer geworden, die Inflation lag über das gesamte Jahr gerechnet bei 7,9% und auch die Papierpreise sind geradezu explodiert. Die 25%, die in der einen oder anderen Statistik aufgeführt werden, dürften je nach Papiersorte stark untertrieben sein. Doch diese abstrakten Zahlen haben massive Konsequenzen für die Druckereien. Sie machen es Kunden leichter, auf Online-Kanäle auszuweichen. 

»Unsere Auftraggeber haben in den vergangenen zwei Jahren aufgrund der Pandemiefolgen und des enormen Anstiegs der Papier- und Energiepreise ihre Marketingaktivitäten immer wieder hinterfragt und diese häufig in Richtung digitaler Kommunikationslösungen verändert. Dieses Kundenverhalten hat zu einem weiteren massiven Rückgang des Auftragsvolumens sowohl auf dem Akzidenz- als auch auf dem Zeitschriftenmarkt geführt«, sagte Prinovis-Geschäftsführer Dr. Ulrich Cordes am 19. Januar bei der Ankündigung, dieletzte Tiefdruckerei der Bertelsmann Printing Group im Januar 2024 zu schließen.

Selber Konzern, 35 km weiter südlich, am Baumwall in Hamburg: Mitarbeiter und Betriebsräte des ehemaligen Verlags Gruner + Jahr protestierten am 25. Januar gegen die drohende Zerschlagung des Hamburger Verlags. Bertelsmann- und RTL-Chef Thomas Rabe steht dabei besonders in der Kritik. Er hatte im Oktober 2022 die Mitarbeiter des früheren Verlagshauses Gruner + Jahr in Schockstarre versetzt, als er in einem Interview ankündigte, der Fernsehkonzern RTL wolle das unter dem Dach von Bertelsmann 2022 „erworbene“ Zeitschriftensegment zur Dispo sition stellen. Rabe wolle nur noch an den Magazinen festhalten, die „synergetisch“ zum TV-Konzern passen. Bis auf den Stern seien alle Marken wie Art, Brigitte, Gala, Geo und Schöner Wohnen im Gespräch, ist in verschiedenenMedien zu lesen. Die Unternehmensführung lässt die Beschäftigten im Dunkeln und die Hängepartie zermürbt die Mitarbeiter.

Das rückläufige Magazingeschäft ist natürlich keine beruhigende Perspektive. Seit den 2000er Jahren soll der Umsatz von 3 auf 1 Mrd. € geschrumpft sein. Dennoch machte Bertelsmann laut Geschäftsbericht 2021 mehr als 130 Mio. € Gewinn mit dem Verlagsgeschäft. Allerdings könnte der Verkauf der einzelnen Magazin-Titel, die zwischen 50 und 100 Mio. € pro Titel bringen könnten, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, lukrativer sein als das „dahin siechende“ Verlagsgeschäft. Die Immobilie am Hamburger Baumwall wurde jedenfalls schon verkauft. 

Die Spekulationen um den Verkauf der Titel bekamen nach der Hiobsbotschaft für die Bertelsmann-Druckerei in Ahrensburg (siehe oben) neuen Zündstoff. Als ein Grund für die Schließung 2024 wurde auch hier das rückläufige Magazingeschäft genannt. Und das hat für RTL wohl keine Relevanz mehr. Wenn RTL so gut wie alle Magazine verkaufen will, könnte man auch fragen, ob der Bertelsmann-Konzern dann überhaupt noch Druckereien braucht?

Bleibt die Frage: Wird Bertelsmann im Zuge des aktuellen Umbaus überhaupt noch an Print festhalten? Argumentative Schützenhilfe bekam Bertelsmann-Chef Rabe am 23. Januar von Springer Vorstandschef Mathias Döpfner, der in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sagte, dass es eines Tages keine gedruckte Zeitung mehr im Hause Axel Springer geben werde: „Erst war Digital Too – also neben Print auch digital. Dann kam Digital First. Irgendwann kommt Digital Only.“

Das alles klingt irgendwie nach Selbstzerstörung. Zumindest aber nach Zerstörung der Bastion Print.
In dem jüngsten Imagefilm von Bertelsmann wird ja schon glasklar herausgearbeitet, dass Bertelsmann eine Entertainment-Company sei. Von den 2 Minuten Imagefilm werden dem Druck ganze 10 Sekunden gewidmet.


 

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